Die Bedeutung der schulischen Bildung für Radieschen

 

 

 

 

Es war einmal Theodor, der dachte sich, dass seine Radieschen etwas besseres werden sollten als die anderen Radieschen.

Deshalb kam er auf den Gedanken ihnen etwas von seiner Bildung weiterzugeben.

Er ging auf den Dachboden und suchte seine alten Schulbücher zusammen. Damit ging er dann aufs Feld.

Die Sonne strahlte heiß vom Himmel und der Schweiß lief Theodor schon über die Stirn. Den Radieschen ging es auch nicht viel besser. Sie ließen ihre Blätter schon sehr hängen. Theodor erzählte den Radieschen von seinem Entschluss. Ein Murren ging durch die Reihen. Theodor schrie die Radieschen an: „Lasst euch nicht so hängen! Blätter hoch!“ Nur widerwillig hoben die Radieschen ihre Blätter hoch. Denn dieses Fallenlassen der Blätter war ihr natürlicher Schutz vor der Sonne, um Austrocknung und damit den Tod zu entgehen.

Theodor war Herr über 717 Radieschen und so fühlte er sich auch.

Die erste Lektion, die die Radieschen zu hören bekamen, war die über den finalen Nebensatz der lateinischen Sprache. Am nächsten Tag ging es mit der zweiten Ableitung der zweiten Ableitung weiter.

So vergingen zirka fünf Tage.


 

Am sechsten Tag meldete sich das Radieschen Nr. 265 in der zwanzigsten Reihe schüchtern. Theodor rufte das Radieschen auf. Das Radieschen Nr. 265 fragte in einem schüchternen Ton: „Herr Lehrer, warum muss ich das eigentlich alles lernen?“

Theodor antwortete schroff: „Weil es gut für Dich ist. Du hast schließlich keinerlei Bildung und kannst somit überhaupt nicht beurteilen, was Du einmal brauchen wirst in Deinem Leben oder nicht. Wir werden jetzt jeden Tag eine Lektion lernen. 6 von 5300 Lektionen haben wir schon. Sonst noch irgendwelche dummen Fragen?“

Das Radieschen Nr. 345 meldete sich. Theodor nahm es dran. „Aber, Herr Lehrer, das wären ja bei 5300 Lektionen 5300 Tage und das wiederum wären ca. 15 Jahre. Aber ich brauche doch nur 75 Tage bis zur Vollreife!“

Theodor entflammt vor Wut: „Du bist so blöd, dass Du stinkst. Was interessiert mich, wie lange Du bist zur Vollreife brauchst! Ich bestimme hier, damit das ein für alle Mal klar ist!“ Theodor verließ das Schlachtfeld.


 

Am nächsten Tag aber kam er wieder. Diesmal erklärte er den Zusammenhang zwischen Platon und Sokrates. Er stellte dem Radieschen Nr. 234 eine Frage. Ängstlich antwortete es: „Dies weiß ich nicht, Herr Lehrer!“ Theodor sagte, dass er sich dies schon gedacht hätte und dass das Radieschen in Zukunft besser aufpassen sollte. Leise sagte das Radieschen: „Aber, Herr Lehrer! Ich passe doch immer gut auf, das hatten wir nur noch nicht durchgenommen.“ Theodor wütend: „Widersprich mir nicht!“ Theodor fuhr mit seinem Unterricht fort. Nach einer Weile rief er das Radieschen Nr. 345 auf und stellte ihm eine Frage. Das Radieschen wußte aber keine Antwort auf Theodors Frage. Theoder rot vor Zorn brüllte: „Warum mache ich eigentlich den ganzen Scheiß mit euch? Ihr habt wirklich keinerlei Bildung.“

„Aber, Herr Lehrer, darum bin ich doch hier um Bildung zu bekommen.“, sagte das Radieschen Nr. 345. Theodor schrie: „Halts Maul! Bei Dir ist sowieso alles zwecklos.“ Damit trat Theodor vor das Radieschen Nr. 345 in der zwanzigsten Reihe. Beugte sich nach unten, umfasste das Radieschen Nr. 345 mit beiden Händen und riss es mit aller Gewalt aus der Erde, so dass die Erdbrocken durch die Gegend flogen, und schmiss es in einem hohen Bogen auf den Komposthaufen, wo es jämmerlich verweste, aber der Unterricht ging weiter, als ob nichts gewesen wäre. Ein bisschen sah man Theodor die Erleichterung im Gesicht an. Jeder muss halt mal Dampf ablassen. Als Theodor am Abend nach Hause kam, stand seine Frau in der Tür und blickte Theodor ärgerlich an.

Theodor senkte den Kopf und ging an seiner Frau vorbei ins Haus. Während des Eintretens dachte Theodor: „Oh Mann, jetzt kommt bestimmt wieder so ein Kommentar, was ich heute wieder vergessen habe zu tun.“

Seine Frau schloss die Haustüre. Sie drehte sich zu Theodor um und sagte in einem leicht vorwurfsvollen Ton: „Theodor, hast Du eigentlich heute schon die Tomaten gegossen?“ „Oh, nein,“ dachte sich Theodor, „dass hab ich ganz vergessen und die weiß das doch ganz bestimmt. Warum frägt die nur wieder so dumm?“

Theodor antwortete seiner Frau: „Nein, das hab ich ganz vergessen.“

„Wie immer. Für jeden Scheiß hast Du Zeit nur nicht für das Wichigste, dass vergisst der Herr einfach.“ Innerlich glühte Theodor vor Wut auf seine Frau, weil sie seiner Meinung nach immer alles besser wissen will. Am liebsten hätte er sie an die Wand geknallt, aber das konnte man ja schlecht machen. Er dachte sich: „Na ja , morgen ist das Radieschen Nr. 194 dran, dass habe ich schon die ganze Zeit im Auge.“ Zu seiner Frau sagte er in einem freundlichen Ton:

„Ja, Liebste, dass mache ich gleich noch.“